LGBTQ+: Dachverbände reagieren auf alarmierende Studie der Armee

Marvin Kahlenberg
Marvin Kahlenberg

Am 13.11.2024 - 11:04

Die Umfrage zu Diskriminierung und sexualisierter Gewalt in der Schweizer Armee zeigt laut den LGBTQ+-Dachverbänden grossen Handlungsbedarf auf. ‌

LGBT Flagge
Wer nicht heterosexuell ist, hat es in der Schweizer Armee schwer: So könnte man die Ergebnisse einer aktuellen Studie zusammenfassen. - Depositphotos

In einer gemeinsamen Medienmitteilung nehmen Pink Cross, die Lesbenorganisation Schweiz (LOS) und das Transgender Network Switzerland (TGNS) Stellung zu einer aktuellen Studie bezüglich Diskriminierung und sexualisierter Gewalt in der Schweizer Armee. Die LGBTQ+-Dachverbände fordern zum Kulturwandel auf.

Trotz Nulltoleranz keine Sicherheit in der Schweizer Armee

Die kürzlich publizierte Studie zu Diskriminierung und sexualisierter Gewalt in der Schweizer Armee zeigt laut den Verbänden eine alarmierende Realität. Die patriarchale Kultur sei tief in den Strukturen der Armee verankert und führe dazu, dass Frauen sowie trans, nicht-binäre, schwule, lesbische und bisexuelle Armeeangehörige tagtäglich Diskriminierung und sexualisierte Gewalt erfahren.

Schweizer Soldaten, Armee
Laut den Dachverbänden der LGTBIQ+ gibt es in der Schweizer Armee strukturelle Probleme mit sexualisierter Gewalt. - Depositphotos

Daher fordern die LGBTQ+-Dachverbände Transgender Network Switzerland (TGNS), Pink Cross und die Lesbenorganisation Schweiz (LOS): Die Armee muss endlich ihre Verantwortung wahrnehmen, den Kulturwandel anpacken und konkrete Massnahmen zum Schutz von LGBTQ+-Personen ergreifen.

Über Jahrzehnte hat die Schweizer Armee das Bild von «starken Männern» zum Schutz der Zivilbevölkerung kultiviert. Nun zeigt eine Studie, dass sie nicht einmal dem Anspruch auf Schutz ihrer eigenen Armeeangehörigen gerecht wird.

Wer unter sexualisierter Gewalt leidet

Die Armee fungiert weiterhin als Ort, wo kriegerische Männlichkeit reproduziert und Gewalt legitimiert wird. Sie schafft einen Raum, in dem der Schutz der Schweiz eng mit rigiden Männlichkeitsnormen verbunden ist — diese sind überwiegend cisgeschlechtlich, weiss und heterosexuell.

So zeigen die Ergebnisse der Befragung von 1126 Armeeangehörigen, wer besonders von sexuellen und geschlechtsspezifischen Gewalttaten betroffen ist. Es sind Armeeangehörige, die nicht dieser Norm entsprechen: Frauen und trans, nicht-binäre, schwule, lesbische und bisexuelle Menschen.

Schweiz, Militär, Übung
Ein Problem mit kriegerischer Männlichkeit: So beschreiben die LGBTQ+-Dachverbände die Zustände innerhalb der Schweizer Armee. - Depositphotos

Die veröffentlichten Zahlen zeigen, dass diskriminierende Verhaltensweisen in der Armee häufiger vorkommen als in der Gesellschaft insgesamt. Die Armee ist nicht nur ein Abbild der gesellschaftlichen Probleme – sie schafft laut den Verbänden ein Umfeld, in dem Gewalt besonders stark wächst und gedeiht.

Eine (Un-)Kultur der Diskriminierung

Indem die Kultur der Armee Diskriminierung gegenüber ihrer marginalisierten Angehörigen nicht nur zulässt, sondern auch reproduziert, scheitert sie an ihrer Hauptaufgabe: dem Schutz aller Bürger. Die Umfrage zeigt deutlich, dass Diskriminierung gegenüber LGBTIQ+-Personen und Frauen nicht auf individuelles Verhalten zurückzuführen ist, sondern in den Strukturen der Armee verwurzelt ist.

Die LGBTQ+-Dachverbände sind von diesen Ergebnissen wenig überrascht, wie Roman Heggli, Geschäftsleiter von Pink Cross, erläutert: «Als junger, schwuler Mann wird man gezwungen, eine absurde Entscheidung zu treffen: Entweder man erträgt Homophobie, Diskriminierung und sexualisierte Gewalt oder bezahlt es mit Wehrpflichtersatz oder längerem Zivildienst.»

«Trotz Lippenbekenntnissen zur ‹Nulltoleranz› bleibt die Machokultur der Armee aber offensichtlich ungebrochen – jetzt muss durchgegriffen werden», so Heggli.

Bestehende Strukturen hinterfragen

Anis Kaiser, Leitung Advocacy von TGNS, ergänzt: «Trans und nicht-binäre Personen sind mit erheblichen strukturellen Diskriminierungen und spezifischen Herausforderungen konfrontiert, und die bisher vorgesehenen allgemeinen Massnahmen greifen nicht tief genug. Es braucht ein systematisches Vorgehen, das die stark binären Strukturen der Armee hinterfragt.»

Soldatin, LGBT Flagge
Die Verbände fordern konkrete Massnahmen von den Armee-Verantwortlichen. - Depositphotos

«Die Ergebnisse der Umfrage sind besorgniserregend genug, um die Dienstpflicht für trans Personen infrage zu stellen. Die Gefahr ist so hoch, dass der Militärdienst für trans Personen nicht obligatorisch sein kann und dass Zivildienst und Zivilschutz tatsächlich zugänglich sein müssen, ohne Teilnahme an der Aushebung», führt Kaiser aus.

Zeitgleich mit den Studienergebnissen erscheint auch der Aktionsplan gegen Diskriminierung und sexualisierte Gewalt der Fachstelle Frauen in der Armee und Diversity (FiAD). Die LGBTQ+-Dachverbände erachten dies als längst fälligen ersten Schritt und fordern, dass die Massnahmen mit LGBTQ+-spezifischen Massnahmen ergänzt werden.

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