In Therapie zu sein, ist weder eine Red noch eine Green Flag
In manchen Ländern gehört es zum guten Ton, beim ersten Date Therapie-Erfahrung anzugeben. Doch Sitzungen beim Psychotherapeuten allein sind nicht entscheidend.
Der Instagrammer Michael Schneider, besser bekannt als «Balloon Guy», sorgte 2021 mit einem Post für Aufruhr. Er forderte seine Follower auf, ihm statt Nacktbildern eine Rechnung ihres Therapeuten zu schicken.
Dies sollte als Beweis dafür dienen, dass sie an sich arbeiten. Jene Aussage löste eine hitzige Debatte über die Rolle der Psychotherapie in Beziehungen aus.
Vermehrt positive Reaktionen auf das Thema Therapie
Drei Jahre später ist das Thema aktueller denn je und eine Umfrage der Dating-App Pure zeigt: Die Hälfte aller Befragten findet es attraktiv, wenn beim ersten Date das Thema Therapie zur Sprache kommt.
Dies ist ein deutlicher Anstieg im Vergleich zu früheren Jahren und ein Zeichen für einen Kulturwandel.
Auf dem Pfad der Selbstoptimierung
In den USA gehört der regelmässige Besuch beim Psychiater schon lange zum Alltag vieler Menschen. In Grossbritannien hingegen war dies lange Zeit stigmatisiert und galt als Eingeständnis persönlicher Schwäche oder gar geistiger Instabilität.
Heute wird offen darüber gesprochen und Therapie sogar gefeiert. Gespräche über psychische Gesundheit sind mittlerweile allgegenwärtig – sei es in Schulen, am Arbeitsplatz oder in Partnerschaften.
Schneiders Instagram-Post hat allerdings eines verdeutlicht. Die Teilnahme an einer Therapie scheint mittlerweile fast schon Voraussetzung für eine erfolgreiche Beziehung zu sein.
Die dunkle Seite der Heilung
Doch nicht jeder hat Zugang zu Therapieangeboten. In Grossbritannien etwa ist es nach wie vor schwierig, einen Therapieplatz zu bekommen, und private Angebote sind oft unerschwinglich.
Eine Forderung danach, dass jeder vor der Partnersuche eine Therapie absolvieren sollte, schliesst somit viele Menschen aus. Hierbei spielen nicht nur finanzielle Gründe eine Rolle.
Eine Psychotherapie erfordert auch die mentale Stärke und Bereitschaft zur Auseinandersetzung mit den eigenen Problemen. Je nach Lebenssituation kann das keinesfalls jedem abverlangt werden.
Liebe dich selbst? Einfacher gesagt als getan
RuPauls berühmtes Zitat «Wenn du dich selbst nicht lieben kannst, wie zum Teufel willst du jemand anderen lieben?» trifft bei vielen Menschen mit psychischen Erkrankungen auf taube Ohren.
Sie finden es oft leichter, andere zu lieben als sich selbst, und erfahren in dieser Liebe sogar Heilung.
Therapiesprache als Waffe?
Eine Therapie garantiert zudem noch lange keine erfolgreiche Partnerschaft. Einige nutzen die Sprache der Psychotherapeuten sogar dazu, ihre problematischen Verhaltensweisen zu rechtfertigen – ein Trend, der zunehmend Sorge bereitet.
Seien Sie einfach Sie selbst
Wir streben alle danach, die optimale Version von uns selbst zu sein und in unseren Beziehungen das Beste zu geben. Doch sollten wir uns davon verabschieden, dass eine Therapie moralisch überlegen ist.
Man muss nicht ständig an sich arbeiten oder sich verbessern, um Liebe zu verdienen. Es reicht völlig aus, man selbst zu sein und sich Mühe zu geben.