Wie steigende Therapie-Akzeptanz Liebe neu definiert

Maria Hutmacher
Maria Hutmacher

Am 13.08.2024 - 06:57

Was früher tabu war, wird heute offen in Dating-Profilen genannt: die Bereitschaft zur Therapie. Was macht das mit der Liebe?

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Die steigende Akzeptanz von Therapien hat auch das Beziehungsleben verändert. - Depositphotos

In den letzten Jahrzehnten hat sich unser Umgang mit psychischer Gesundheit grundlegend gewandelt. Dieser Wandel beeinflusst nicht nur, wie wir uns selbst sehen und behandeln, sondern auch, wie wir Beziehungen eingehen und führen.

Die einstige Tabuisierung von Themen wie Therapiebesuchen gehört zunehmend der Vergangenheit an. Stattdessen rückt eine neue Offenheit in den Fokus unserer zwischenmenschlichen Beziehungen, insbesondere beim Dating.

Diese Entwicklung fördert nicht nur das Verständnis für unsere eigenen emotionalen Bedürfnisse und Herausforderungen. Sie ermöglicht es uns auch, potenzielle Partner durch eine ganz andere Brille zu betrachten.

In der Vergangenheit waren Therapien noch schambehaftet

Früher herrschten vielleicht Unsicherheiten oder gar Schamgefühle im Zusammenhang mit psychischen Problemen vor. Heute wird vermehrt Wert auf Authentizität, emotionale Verfügbarkeit und die Bereitschaft zur Auseinandersetzung mit persönlichen Themen gelegt.

Die Folgen dieser kulturellen Verschiebung sind vielfältig: Sie reichen von einer veränderten Wahrnehmung dessen, was Attraktivität ausmacht, bis hin zu verbesserten Kommunikationsfähigkeiten. Wir erreichen so ein tiefergehendes Selbstverständnis sowohl innerhalb als auch ausserhalb romantischer Beziehungen.

Lange Zeit schien es fast ein ungeschriebenes Gesetz zu sein: Psychische Probleme und deren Behandlung waren kein Thema für «echte Männer». Doch diese Zeiten ändern sich.

Männer im Therapie-Trend: Ein Sieg gegen starre Rollenbilder?

Immer mehr Männer erkennen den Wert therapeutischer Unterstützung und nutzen diese aktiv für ihre persönliche Weiterentwicklung. Diese Entwicklung könnte langfristig dazu beitragen, überholte Vorstellungen von Männlichkeit aufzubrechen, zum Vorteil aller Geschlechter.

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Von aufgebrochenen Rollenbildern profitieren auch Männer. - Depositphotos

Eine solche Öffnung hat direkte Auswirkungen auf die Partnersuche: Profile auf Dating-Apps zeigen immer häufiger offen die Bereitschaft zur Auseinandersetzung mit eigenen mentalen Herausforderungen.

Das Signal dahinter ist klar: Hier zeigt sich jemand bereitwillig verletzlich und kommunikativ – Eigenschaften, die in modernen Beziehungsmodellen hoch im Kurs stehen. Therapeutische Angebote leisten einen entscheidenden Beitrag zur Selbstreflexion und -erkennung.

Vom Ich zum Wir dank tiefgreifender Selbsterkenntnis

Therapien bieten Raum für innere Erkundungsgänge. Und helfen uns dabei herauszufinden, wer wir sind und was wir brauchen, um erfüllende zwischenmenschliche Bindungen einzugehen.

Dieses vertiefte Verständnis eigener Bedürfnisse und Prägungen trägt massgeblich zu tragfähigeren Partnerschaftsmodellen bei. Deren offene Kommunikation ist dabei ein zentrales Thema.

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Mit einer Therapie können wir besser ergründen, was wir von einer Beziehung erwarten. - Depositphotos

Doch während dieses wachsende Bewusstsein viele Türen öffnet, birgt es auch Risiken zur Überinterpretation. Es sollten keine vorschnellen Diagnosen gestellt werden, die möglicherweise nicht gerechtfertigt sind.

Risiken der neuen Toleranz

Während gestiegene Akzeptanz rund um seelisches Wohlbefinden zweifellos eine positive Entwicklung hervorrufen kann, müssen bestimmte Fallstricke beachtet werden. Beispielsweise kann die ständige Präsenz therapeutischen Denkens im Alltag Belastungsprobe darstellen.

Manche Paare geraten in Konflikt, weil Meinungsverschiedenen mithilfe des Psychologie-Jargons ausgetragen werden. Ausserdem bestehen Schwierigkeiten, wenn beide Partner gleiche psychologische Diagnosen teilen.

Sie können Ihr gegenseitiges Verhalten dadurch negativ beeinflussen.

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